Zusammenfassung
Einleitung: Die Perinatalstudien bieten eine hervorragende Datenbasis für die Public-Health-Forschung;
dieses Potenzial ist bisher jedoch kaum genutzt worden. Anhand der Daten aus der bayerischen
Perinatalstudie sollen hier die Möglichkeiten und Grenzen dieses Datensatzes veranschaulicht
werden. Er beinhaltet nur relativ wenige Angaben zum sozio-ökonomischen Status. Es
wird daher auch eine status-spezifische Charakterisierung der Gemeinde einbezogen,
in der die Mutter wohnt. Hierfür wurde ein neues, relativ aufwändiges Verfahren entwickelt.
Vergleichbare regionale Analysen sind u. W. in Deutschland bisher noch nicht durchgeführt
worden.
Methoden: Ausgewertet wurden die Daten aus dem Jahr 2004. Die Analysen konzentrieren sich auf
drei abhängige Variablen: Anzahl der Schwangerschafts-Vorsorgeuntersuchungen, Rauchen
der Mutter während der Schwangerschaft, Geburtsgewicht des Neugeborenen. Als unabhängige
Variablen wurden einbezogen: Alter der Mutter bei der Geburt, Herkunftsland der Mutter,
Mutter alleinstehend (ja/nein), beruflicher Status der Mutter, Wohnort der Mutter
(vier- oder fünfstellige Postleitzahl). Die sozio-ökonomische Charakterisierung des
Wohnortes erfolgt mithilfe der Variablen „Sozialhilfedichte”, und zwar über die Verknüpfung
mit zwei weiteren Datensätzen: die ,Gemeindedaten‘ des Bayerischen Landesamtes für
Statistik und Datenverarbeitung, das Postleitzahlen-Verzeichnis der Deutschen Post.
Die multivariaten Analysen sind mithilfe der logistischen Regression durchgeführt
worden.
Ergebnisse: Für die Analyse standen Angaben von ca. 76 000 Geburten zur Verfügung. Die Ergebnisse
zur Variablen ,geringe Inanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchungen‘ zeigen z. B. ein
besonders hohes Risiko bei den Müttern aus Osteuropa oder aus den Mittelmeerländern,
sowie bei den alleinstehenden und den un-/angelernten Müttern. Das Risiko ‚Rauchen
während der Schwangerschaft’ ist erhöht bei den Müttern aus den Mittelmeerländern
und bei den alleinstehenden Müttern. Besonders hoch ist es aber bei den un-/angelernten
Müttern: Verglichen mit der oberen Statusgruppe greifen sie während der Schwangerschaft
4,67-mal (Großstädte) bzw. sogar 6,14-mal (andere Gemeinden) häufiger zur Zigarette.
Auch das Risiko ‚Geburtsgewicht bis 2 500 g’ ist bei den alleinstehenden Müttern und
bei den un-/angelernten Müttern besonders hoch. Ein Zusammenhang mit der Sozialhilfedichte
am Wohnort zeigt sich vor allem beim Rauchen der Mutter: Die Prävalenz ist in den
Gemeinden mit hoher Sozialhilfedichte etwas erhöht.
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig die Daten der Perinatalstudien für die Public-Health-Forschung
sein können. Bei den hier betrachteten Risiken sind große soziale Unterschiede vorhanden.
Es erscheint daher sinnvoll, diese Analysen kontinuierlich durchzuführen, um zeitliche
Trends in Art und Ausmaß der Zusammenhänge aufzeigen zu können. Aus methodischer Sicht
ist hervorzuheben, dass regionale Unterschiede bei Gesundheit und Gesundheitsversorgung
in Deutschland bisher kaum untersucht wurden. Das hier vorgestellte Verfahren bietet
einen neuen Ansatzpunkt zur Schließung dieser Forschungslücke.
Abstract
Introduction: Perinatal studies provide an excellent database for public health research, to date
this potential has rarely been used, however. Taking the example of the Perinatal
Study in Bavaria, the objective is to demonstrate the pros and cons of this database.
As it includes only very few variables on socio-economic status, an additional variable
is calculated assessing the socio-economic status of the community where the mother
lives. This is rarely done in Germany, and as far as we know the procedure proposed
here has not been applied before.
Methods: The analyses are based on the data from 2004. They focus on three dependent variables:
number of prenatal screenings, maternal smoking during pregnancy, birth weight of
the baby. The following independent variables are included as well: age of the mother,
nationality of the mother (e.g., German, Mediterranean countries), single mother (yes/no),
occupational status of the mother, community where the mother lives (4- or 5-digit
postal code). The socio-economic status of the community is assessed by the poverty
rate, linking two other datasets, one for transferring the postal codes to community
names, the other providing information per community. The multivariate analyses are
conducted by logistic regressions.
Results: Information was available from about 76 000 births. Concerning the variable ‘few
prenatal screenings’, the analyses show an increased risk for mothers from Eastern
Europe and from the Mediterranean countries, for single mothers and for mothers with
low occupational status. The risk factor ‘maternal smoking during pregnancy’ is increased
for mothers from the Mediterranean countries and for single mothers. It is especially
high, however, for low status blue collar workers: compared with white collar workers
their smoking prevalence is 4.67-times (large cities) or even 6.14-times (smaller
communities) higher. The risk factor ‘low birth weight of the baby’ is again increased
for single mothers and for mothers with low occupational status. An association with
the poverty rate is mainly seen for the variable ‘maternal smoking during pregnancy’,
with higher smoking prevalences in the poor communities.
Discussion: The results demonstrate that the data from the perinatal studies are important for
public health research. Concerning the risk factors analysed here, large social differences
can be observed. In order to show time trends, it would be important to repeat these
analyses on a routine basis. From a methodological point of view, it can be stressed
that regional differences in health and health care have rarely been looked at in
Germany, and that the procedure proposed here provides a new starting point for closing
this research gap.
Schlüsselwörter
Perinatalstudie - soziale Ungleichheit - regionale Ungleichheit
Key words
perinatal study - social inequalities - regional inequalities